„Trampen ist Glückssache“. Sicher nicht! Ich glaube, Trampen ist zum kleineren Teil (vielleicht 20%) Glück. Und zum größten Teil (vielleicht 80%) Know How, Technik, Strategie oder eben „Kunst“ 😊️
Hier erfährst du alles, was du brauchst, um schnell voran zu kommen:
1. Standort ist alles – such dir einen guten Platz an der Straße
Der Ort, an dem du stehst, kann den Unterschied machen – zwischen stundenlangem Warten und schnellem Weiterkommen. Ein guter Spot erhöht die Chance deutlich, dass jemand anhält. Achte auf diese drei Dinge:
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Die Autos fahren möglichst langsam
Gute Stellen sind zum Beispiel hinter einem Kreisverkehr oder direkt nach dem Abbiegen – dort bremsen viele sowieso ab. Ebenfalls gut: noch vor dem Ortsausgang, wo Tempo 50 gilt und die Autos noch nicht beschleunigt haben. Hauptsache, sie rauschen nicht mit voller Geschwindigkeit an dir vorbei. -
Du bist rechtzeitig sichtbar
Wenn man dich früher sieht, bleibt mehr Zeit zum Entscheiden – und zum Bremsen. -
Autos können sicher anhalten
Optimal ist eine Stelle mit Einbuchtung, Bushaltestelle oder breitem Seitenstreifen – und das hinter dir, damit die Fahrer genug Reaktionszeit haben.
👉🏼 Gut zu wissen:
Du kommst immer irgendwie weg – von überall. Die Frage ist nur: wie schnell?
Ich stand schon an wirklich schlechten Orten, und dann hielt jemand an mit den Worten:
„Du stehst aber scheiße hier!“ – und nahm mich mit. 😄
Also: Auch wenn der Platz nicht perfekt ist, kannst du guten Mutes sein. Aber mit einem klug gewählten Standort kannst du dir viel Zeit (und Nerven) sparen.
2. Flirte mit dem Verkehr – Kommuniziere mit den Fahrern
Einfach nur dastehen und hoffen? Das funktioniert auch, aber deutlich schlechter. Wenn du an der Straße stehst, dann kommuniziere mit den Fahrern – das macht einen großen Unterschied. Kommunikation passiert hier vor allem über Körpersprache und Bewegung. Sehr hilfreich dabei:
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Benutze Gesten
Ich bewege meinen Arm mit ausgestrecktem Daumen nach oben, genau in dem Moment, wenn der Fahrer mich am besten sehen kann. Du kannst aber auch winken, aufs Nummernschild zeigen (wenn du dorthin willst), auf dein Trampschild zeigen und fragend schauen oder was auch immer – Hauptsache Kommunikation. -
Suche Augenkontakt
Schaue dem Fahrer direkt in die Augen. Wenn du ihn nicht sehen kannst, dann schaue dahin, wo die Augen sein müssten. Dieser Blickkontakt macht dich zu einem Menschen, nicht nur zu einer Silhouette am Straßenrand.
👉🏼 Wenn die Leute den Kopf schütteln, machst du alles richtig…:
Lieber eine halbe Stunde nicht mitgenommen werden, aber die Leute kommunizieren mit dir (Gesten wie Zeigefinger nach unten = „ich fahre nicht weit“, Kopfschütteln etc.), als fünf Minuten, in denen keiner reagiert. Wenn die Leute mit Kopf und Händen antworten, stehst du wahrscheinlich an einer guten Stelle. Reagieren die Fahrer nicht auf dich, stimmt meist etwas mit deinem Standort nicht. Entweder fahren sie dort zu schnell oder du bist schlecht sichtbar. Kommunikation ist dein Barometer – sie zeigt dir, ob dein Setup funktioniert. Wenn die Leute reagieren, wird es nicht lange dauern, bis auch jemand anhält.
3. Wenn du auf einer Raststätte bist, sprich Leute aktiv an
An Raststätten frage ich Leute: „Hallo, würden Sie mich ein Stück mitnehmen?“
Dann sagen sie entweder „Nein“ (normalerweile mit anderen Worten z.B. „Sorry, das Auto ist voll“ oder „Das ist ein Dienstwagen“ oder „Sorry, ich hab’s eilig“).
Oder sie sagen: „Wohin willst du denn?“ Wenn die Person dann in deine Richtung fährt, sieht’s gut aus 😊️
An Raststätten halte ich mich tendenziell eher an der Tankstelle auf (im Gegensatz zum Restaurant), weil dort schneller immer wieder neue Autos kommen.
Das gilt natürlich auch für andere Orte, wo man Menschen direkt ansprechen kann: Tankstellen in der Stadt, McDonalds etc.
Auf Autohöfen (also außerhalb der Autobahn) kommt man nicht so gut weg wie an den Raststätten, die direkt auf der Autobahn sind.
4. Erster Eindruck! Erster Eindruck! Erster Eindruck!
Der erste Eindruck ist beim Trampen einfach suuper wichtig!
Klar ist das oberflächlich, aber die Fahrer haben ja wirklich keinen anderen Anhaltspunkt. Sie müssen in Sekundenschnelle entscheiden, ob sie diesen Fremden in ihren privaten Bereich lassen.
Das heißt: sorge dafür, dass dein äußeres Erscheinungsbild möglichst gepflegt und harmlos ist.
Rasier dich vorher. Trage helle, freundliche Klamotten. Bedecke oder verstecke möglichst nichts (Sonnenbrille, Hände aus Hosentasche…), sondern denkt man: Der hat was zu verbergen.
Und tritt selbstbewusst, freundlich und kommunikativ auf.
Und wenn du ein Schild malst, male es schön – z.B. mit Smiley oder Blumen oder so.
Und lass die Leute auf jeden Fall auch „Nein“ sagen: z.B. mit „ok, gute Fahrt noch!“
Es muss mich ja keiner mitnehmen. Sein Auto ist sein ganz privater Bereich, wo er ‘nen Fremden ‘reinlassen würde. Das ist völlig ok, dass das nicht jeder will. Und es wird nicht lange dauern, dann möchte dich jemand mitnehmen.
5. Beachte die Verkehrsströme
Überlege dir: Wo fahren viele Autos lang? Das ist normalerweise von einer größeren Stadt zur anderen größeren Stadt. Wenn du auf dem Weg dazwischen mitgenommen werden willst, stehen deine Chancen gut.
Manchmal macht es daher Sinn, ein Stück in die falsche Richtung zu fahren. Z.B. bin ich oft von Sachsen Richtung Köln gefahren. Immer an der Raststätte Reinhardshain östlich von Gießen hatte ich Probleme. Es fuhren einfach fast alle Richtung Frankfurt, und quasi keiner Richtung Ruhrgebiet. Bis ich irgendwann herausfand: Ich muss einfach nur ein Stück weiter Richtung Frankfurt fahren. Und kurz vorher an der Raststätte „Wetterau“ aussteigen. Und durch die Unterführung auf die andere Seite gehen. Das heißt, dort sind dann die Autos, die von Frankfurt Richtung Norden fahren. Von denen fahren etwa die Hälfte wieder Richtung Ostdeutschland und die andere Hälfte ins Ruhrgebiet. Es lohnt sich also manchmal sehr, ein Stück weiter zu fahren, um die Verkehrsströme zu nutzen.
6. Benutze die Sprache der Menschen
Als ich mal durch Polen getrampt bin, habe ich auf polnisch gelernt: „Fahren Sie nach …“. Und diesen Satz kann ich jetzt auch in Deutschland benutzen, wenn ich ein polnisches Auto sehe. Die eigene Sprache zu hören, öffnet oft das Herz, auch wenn ich es nur ein paar gebrochenen Worten versuche.
Hilfreich für unterwegs ist eine Offline-Sprachen-App wie Google Translate, wo ich vorher alle benötigten Sprachen herunterladen kann.
Außerdem drucke ich mir vorher Phrasebooks mit allen Sprachen, durch deren Länder ich fahre, aus. Fertige Phrasebooks gibt’s auf Hitchwiki und Wikivoyage.
7. Nimm dir eine Straßenkarte mit
Um auf einen Blick viel zu sehen und gerade auch, um mit ausländischen Fahrern besser kommunizieren zu können, ist eine gedruckte Karte sehr gut.
Möglichst eine, auf der Raststätten eingezeichnet sind. Bei Europcar gab es lange kostenlos eine zum mitnehmen. Die scheinen die jetzt nicht mehr zu haben, „weil jedes Auto ein Navi hat“. Stattdessen ist jetzt die Deutschland-Straßenkarte von Borch für ca. 10 Euro zu empfehlen.
Ansonsten ist man mit Offline-Karten-Apps (z.B. maps.me, OsmAnd etc.) auch in Gebieten, wo man kein mobiles Internet hat, gerüstet.
8. Bleib flexibel im Kopf
Wenn es an einer Stelle nicht klappt, denk nach, schau vielleicht deine Maps-App an und probier anderes aus.
u.U. kannst du auch Leute fragen, ob andere Orte vielleicht besser zum Wegkommen sind.
Z.B. als ich mitten in der Corona-Zeit aus dem Iran zurück nach Deutschland kam, stand ich an der Straße und habe ein Schild „Corona-Test negativ“ gemalt. Sofort wurde ich mitgenommen 😁️
9. Plane die Tramp-Zeit
Was würdest du sagen: Wie lange dauert trampen?
Wenn die Bedingen gut sind (genug Autos, die in meine Richtung fahren, man kann gut anhalten etc.), bin ich in Deutschland fast immer richtig schnell. z.B. bin ich mal von Wittstock nach Ludwigsburg (knapp 700km) in 6,5 Stunden gefahren.
Ich mache auch Termintrampen. Auch zu Arbeitsmeetings in Berlin. Naja, ich war meistens pünktlich… 😁️
Es gibt eine Daumenregel: Trampen dauert genau so lang wie selber fahren bis doppelt so lang. Innerhalb dieser Spanne stimmt allermeistens.
Was denkst du, wie lange habe ich mal von Deutschland bis Istanbul gebraucht?
Also von Deutschland (in Sachsen), über die Tschechei, Slowakei, Ungarn, Serbien, Bulgarien in die Türkei bis Istanbul? Was schätzt du?
Antwort: Anderthalb Tage. Ich bin Samstag früh los und war Sonntag Abend in Istanbul.
Ich bin die Nacht durchgetrampt und nachts in Serbien saß ich neben meinem Fahrer und frage ihn, ob’s ok ist, wenn ich den Sitz nach hinten lehne und schlafe. Das war ok, ich konnte schlafen. Und später haben wir getauscht: Ich bin gefahren und er hat neben mir geschlafen 😊️
(die Rückfahrt hat allerdings länger, 3 Tage gebraucht.)
Kann man auch mal nicht weiterkommen? Klar! Einmal hatte ich 1,5 Tage in Spanien quasi nur Pech. Am Tiefpunkt sagte mir ein anderer Tramper, der in die gleiche Richtung wollte, dass er schon 5 Tage dort steht (allerdings hing es damit zusammen, dass Spanien für Tramper eine ganz besondere Herausforderung ist, und dass dieser Mann sehr ungepflegt aussah.
Merk dir: Du kommst immer weiter! Früher oder später… 😉️
10. Fahre tagsüber
Im Hellen zu trampen ist einfacher. Abends wird es um einiges schwieriger, weil die Leute in der Dunkelheit misstrauischer sind, und dann fahren auch weniger Autos.
11. Fahre nachts
Aber es geht auch, nachts fahren. Das hat sogar Vorteile, gerade für lange Strecken: die Straßen leerer, und die Leute, die fahren, fahren meist längere
Strecken.
Oft hilft am Straßenrand dann eine Warnweste und u.U. eine Taschenlampe (einmal das Auto kurz anleuchten, wenn es gerade in dem Abstand zu mir ist, dass es mich am besten sehen kann).
12. Trampe innerhalb der Stadt
Natürlich kannst du in Städten oft einfach öffentlichen Nahverkehr benutzen. Du kannst aber auch dort trampen.
Schau dir auf deiner Karte im Handy an, welche große Straße ungefähr in die Richtung geht, in die du willst, und stell dich dorthin.
Innerhalb von Städten finde ich Ampeln super. Die Autos stehen sowieso und ich laufe an ihnen vorbei und versuche zu kommunizieren (siehe 2. Flirte mit dem Verkehr). Ein anderer Weg, um auf eine große, stark befahrene Straße zu kommen, ist folgender: Ich stehe nicht direkt an der großen Straße, sondern am Ende einer kleinen Nebenstraße, die auf die große Straße führt.
13. Hör auf dein Bauchgefühl
Ist das nicht gefährlich?
Wahrscheinlich nicht gefährlicher als Opfer von ‘nem Verbrechen zu werden, während man im Park spazieren geht.
Wenn Du ein ungutes Gefühl bei jemandem hast, steig nicht ein, es gibt genug andere Autos.
14. Als Frau kannst du dich ein wenig absichern
Ich habe das Privileg, als Mann mir darüber weniger Gedanken machen zu müssen. Für Frauen oder jeden anderen, der sich ein wenig absichern möchte, hier ein paar Möglichkeiten:
- Du kannst den Fahrer vor dem Einsteigen fragen; „Ist‘s ok, wenn ich Ihr Nummernschild an ‘ne Freundin schicke?“ Wenn er dann ablehnt, weißt du, was zu tun ist.
- Wenn du an einer Tankstelle oder ähnlichem bist, könntest du auch nur Frauen oder Paare fragen.
- Als Frau kannst du auch darauf achten, welche Reize du aussendest, die falsch verstanden werden können (leichtbekleidet, Körpersprache…). Das soll sicher kein victim blaming sein, sondern nur eine Bitte zum Bewusstmachen, wie deine Erscheinung beim Fahrer ankommen kann.
- Ein paar weitere Sicherheitstipps für Frauen: Hitchwiki
- Und übrigens als Frau mit einem Mann unterwegs sein, funktioniert sehr gut. Wenn man aussieht wie ein Pärchen, kommt man echt schnell weg.
15. Deine Möglichkeiten zum Übernachten
- Zelt
- über‘s Internet
https://www.trustroots.org/
http://couchsurfing.org/
http://www.bewelcome.org/ - Es geht allerdings auch komplett ohne Zelt und Internet. Man könnte es „spontanes Couchsurfing“ nennen. Ich habe das mal in Istanbul gemacht. Vor die Uni oder auf einen belebten Pltz mit offenen Menschen (Taksim-Platz) gestellt und vor mir ein Schild gehalten: „Can I couchsurf at your place?“ Es dauerte jedes Mal nicht lang, dass mich jemand mitnahm 😊️
- Außerdem kann man mit Pappen aus dem Papiercontainer für einen Notschlafbehelf sorgen (und bei Kälte u.U. mit einer Rettungsdecke).
16. Probier’s aus!
Als ich das erste Mal getrampt bin, hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut, wenn nicht ein Freund am gleichen
Tag auch die Strecke gefahren wäre. So hatte ich eine Art doppelten Boden. Ich bin von Sachsen nach Köln, und war viel schneller als er. Seit dem bin ich immer öfter getrampt. Probier es ruhig erstmal auf einer kleineren Distanz aus und merke, dass es funktioniert 😁️
17. Informiere dich im Netz
Hilfreiche Websites:
- http://hitchwiki.org/de
→ Viele richtig gute Infos! U.a. Beschreibungen zu allen größeren Städten, wie man jeweils aus der Stadt rauskommt zur Autobahn. z.B. wenn ich von Berlin Richtung Süden will, dann muss ich mit der S-Bahn bis Nikolassee fahren und kann von dort nebenan auf die Raststätte laufen. - https://hitchmap.com
→ Karte von ganzer Welt mit Trampstellen - https://warmroads.de
→ ein spannender (wenn auch lang nicht mehr gepflegter) Blog von einem Sporttramper - Youtube-Kanal: Jojo Aigner „Living the dream“ → um sich bisschen in die Welt zu verlieben
- http://nomadwiki.org
→ viel hilfreiches zum Unterwegssein
Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren und schließe mit einem Zitat von Mark Twain:
„In 20 Jahren wirst du enttäuschter sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die Dinge, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus aus dem sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche. Träume.“
Wenn du mehr Tipps zum Trampen hast, dann schreib sie gern in die Kommentare 🙂


